Mein Praktikum in einem finnischen Kindergarten
Als erstes möchte ich über mein Ankommen und meine Unterkunft in der finnischen Stadt Seinäjoki berichten. Los geht es mit dem Flug oder besser gesagt, der Landung. Der Landeanflug auf den Flughafen Tampere, eine große Stadt nahe Seinäjoki, war wirklich sehr schön und eindrucksvoll. Weite, dichtbewachsene Wälder, Seen mit Stegen und kleinen Holzbooten oder mit kleinen Inseln, auf denen oft nur eine kleine Hütte stand und eben die typisch skandinavisch gebauten Holzhäuser. Gut, dachte ich, das sieht alles schon mal so aus, wie ich es mir gewünscht oder vorgestellt hab. Der Flughafen in Tampere ist sehr klein und ich konnte mich gut orientieren. Das Gleiche galt für den Bahnhof in Tampere, von welchem ich nach Seinäjoki fuhr. Es war leider schon sehr dunkel, also konnte ich nichts von der Umgebung sehen, durch die der Zug fuhr.
Angekommen in Seinäjoki wurde ich abgeholt von meiner Kontaktperson. Sie brachte mich zur Unterkunft. Einer Art Internat für Schüler, welche die Berufsschule in Seinäjoki besuchen. Die meisten Schüler sind im Alter von 15 - 18 Jahren. Am Wochenende fahren die Schüler nach Hause. So hatte man also ein komplettes Internat für sich allein. Manchmal war das schon etwas unheimlich, aber glücklicherweise lebte im Zimmer nebenan, ein Mädchen aus Holland, welches ebenfalls ein Praktikum in Finnland absolvierte.
Ich war sehr positiv überrascht von meinem Zimmer. Eine kleine Küchenzeile in der man alles vorfand, was man zum Überleben benötigt, ein geräumiges Badezimmer und zwei, etwas zu schmal geratene, Betten. Für eine Unterkunft, die nicht besonders teuer ist, war das Zimmer perfekt. In der Unterkunft gibt es eine Sauna und einen Aufenthaltsraum, in welchem man beispielsweise Billiard oder andere Dinge spielen kann.
Am ersten Tag musste ich nicht arbeiten, sondern wurde gemeinsam mit einem anderen Mädchen, welches am selben Tag wie ich ankam, durch die Stadt geführt und wir haben ein paar formelle Sachen geklärt. Außerdem habe wir uns beide ein Fahrrad geliehen, mit welchem wir später Seinäjoki erkundeten, und welches ich in den darauffolgenden Wochen nutzte, um zur Arbeit zu kommen. Es dauert ein wenig bis man Orientierung in dieser Stadt findet, da alle Häuser sich sehr ähnlich sind, doch wenn man ein Mal den Durchblick hat, verliert man ihn nicht mehr. Wirklich positiv war, dass ich direkt am ersten Tag sehr freundliche Menschen kennnengelernt habe, die ich nun, nach dem Ende meines Praktikums, als meine Freunde bezeichnen würde. Ohne das Ganze vertiefen zu wollen, muss ich sagen, dass ich durch diese Menschen, außerhalb der Arbeitzeiten, eine wundervolle Zeit in Finnland hatte. Ein Tipp, falls ihr plant nach Finnland zu gehen : schreckt nicht vor dem anfänglichen scheinbaren Desinteresse, welches euch manche finnische Menschen entgegenbringen, zurück, das meinen die nicht böse. Das ist schlicht und ergreifend ihre Mentalität. Nach zwei Stunden Aufwärmphase, ist fast jeder euer bester Freund und lässt euch an seinem Leben teilhaben.
Nun zum wirklichen Hauptpunkt : Mein Praktikum im Kindergarten - Kindergarten heißt Paivaköti auf finnisch. Als mich meine Kontaktperson zum Kindergarten fuhr, war ich zunächst etwas irritiert, weil dieser mitten in einem Industriegebiet liegt. Schon von außen sah der Kindergarten anders aus, als Kindergärten in Deutschland. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich nur den Vergleich zu einem Kindergarten hab, in welchem ich während der Ausbildung zur Sozialassistentin gearbeitet habe. Trotzdem bin ich mir sicher, dass nicht viele Kindergärten so sind, wie dieser Kindergarten. Denn eine Sache hat die Einrichtung, welche nicht selbstverständlich für einen Kindergarten ist. Er ist im selben Gebäude wie ein Aktivity Park, ein Park, in dem Kinderherzen (zugegebener Maßen auch Erwachsenenherzen) höher schlagen. Trampolinwelt, Skatepark, Fußballfelder, Bällebäder, Klettermöglichkeiten und Rutschen soweit das Auge reicht. Die Inhaber dieses Parks sind kleine Berühmtheiten in Finnland und sogar in Amerika, weil sie scheinbar eine sehr verrückte Art an sich haben und Darsteller einer Reality Show sind. Was soll man sagen, die Bilder sprechen für sich. Welche Einrichtung hätte nicht auch gerne die Möglichkeit den Kindern so etwas tolles zu bieten? Der Kindergarten hat eine eigene Tür zum Park und die Gruppen können diesen Vormittags jederzeit nutzen. Wirklich eine tolle Sache.
Desweiteren ist der Kindergarten, welchen es in dieser Form seit vier Jahren gibt, sehr neu und hochwertig eingerichtet. Die Einrichtung ist übrigens eine private Institution. Es gibt 5 Gruppen mit jeweils 17 Kindern, von denen aber nicht jeden Tag alle Kinder da sind. Meistens sind zwischen 12 - 14 Kinder pro Gruppe in der Einrichtung. Die 5 Gruppen setzen sich aus zwei Krippen und drei Regelgruppen zusammen. Außerdem gibt es eine Vorschule, in welche alle Kinder aus den Gruppen ab dem 6 Lebensjahr kommen. Die Gruppenräume haben extra Räume in denen sich Schrankbetten befinden. Außerdem verfügt die Einrichtung über zwei Küchen und einen Mitarbeiterraum.
Besonders auffällig für mich war, dass die Räume alle eher klein und schlicht gehalten sind. Jedoch wurde bei der Ausstattung auf passende und aufeinander abgestimmte Farben geachtet, was zu einer schönen Atmosphäre beiträgt. Außerdem befindet sich in den Gruppen sehr wenig Spielzeug. Wenn ich an meine alte Kindergartengruppe in solch einem kleinen Raum denke, befürchte ich, dass sich alle über einen Haufen rennen würden und es viel Streit um das wenige Spielzeug geben würde. Kinder brauchen meiner Meinung nach Platz und genug Raum um sich frei entfalten zu können. Deshalb war ich zu Beginn auch etwas kritisch und unsicher, wie der Gruppenalltag abläuft. Fest steht, er ist nicht mit dem was ich aus Deutschland gewohnt war, zu vergleichen.
Meine Gruppe, die Kängurus, hat einen geregelten Wochenablauf. Montags ist Spielzeugtag, Dienstags kommt eine Musiklehrerin und bringt den Kindern erste Noten und ein Taktgefühl bei. Ich durfte mir einige Musikstunden angucken, und war sehr angetan, da die Musiklehrerin den Kindern auf eine sehr niedliche und spaßige Art und Weise das Thema Musik näher brachte. Die Kinder hatten jedes Mal sichtlich Spaß. Mittwochs ist der Sporttag, an welchem die Kinder sich im Park bewegen, manchmal frei, und manchmal mit vorgegebenen Übungen, Donnerstags wird gebastelet und Freitage sind offen für Ausflüge oder Waldgänge. An all diesen Tagen wird zwar schon darauf geachtet, dass größtenteils die Kinder entscheiden, was jedoch wirklich gemacht wird, entscheiden die Erwachsenen. So ist die Rolle des Erwachsenen schon eher als autoritär einzuordnen. Die Gruppenleitung übernimmt die Verantwortung für alle Handlungen und auch die Einhaltung der Regeln werden sehr streng bewacht. Es scheint als wäre trotz dem Mitentscheiden der Kinder, alles etwas vorgegeben und vor allem sehr gradlinig. Ich erinnere mich an meine Zeit im Kindergarten in Deutschland, in welcher es oft geschah, dass die Kinder z.B bei Bastelarbeiten viele eigene Aspekte und Initiativen ergriffen, welche wir Erwachsenen auch aufnhamen. Ich möchte damit nicht sagen, dass die Kinder gar nichts zu sagen haben oder die Art und Weise der Erziehung schlecht ist, denn trotzdessen waren alle Erzieher äußerst liebevoll und vor allem umsorgt um die Kinder.
Es wird sehr viel Wert auf frühkindliche Bildung gelegt. Die Kinder lernen alle schon im Alter von drei Jahren erste englische Begriffe wie beispielsweise das Wetter oder Farben. So wird beispielsweise jeden Morgen der Kalender auf Englisch besprochen. Einige der Kinder können auf Englisch verstehen und beantworten, welchen Monat, welches Jahreszeit und welchen Tag wir heute haben und außerdem wie das Wetter heute ist. Viele Lieder werden auf Englisch gesungen. Bildung steht also ganz klar im Vordergrund. Beispielsweise kann ich an dieser Stelle eine Situation direkt zu Beginn meines Prakitkums schildern : Meine Anleiterin nahm 5 Mädchen zu sich. Alle setzten sich an einen anderen Tisch, so das keine von ihnen bei der anderen abgucken konnte. Wie in der Schule eben. Dann bekamen die Mädchen ein Blatt und Stifte. Meine Anleiterin gab ihnen Zeichenaufgaben. Die Mädchen sollten diese Zeichnen. Die Aufgabenstellung war der einer Schule sehr ähnlich. Auch, dass die Mädchen alle an einzelnen Tischen saßen, um nicht schummeln zu können, für mich schien das Ganze so, wie eine Art Klassenarbeit für Kindergartenkinder. Natürlich wurde diese nicht bewertet sondern analysiert. Einige Mädchen hatten mehr und andere weniger Probleme mit der Aufgabe. Ich fand dieses vorgehen sehr interessant, da es nicht etwa ein Test für die Einschulung in die Vorschule war, sondern einfach mitten im Alltag geschah. Diese Vorgehensweise wird sich noch öfter zeigen, um den Kindern nahe zu bringen, wie sie sich später in der Schule oder der Vorschule zu verhalten haben, und dies dann nicht völlig ungewohnt für sie ist.
Zudem lernen die Kinder schon sehr früh richtige Benimmregeln. Wie sie sich am Tisch beim Essen verhalten, geordnet von einem Ort zum anderen gehen, sich zu bedanken, entschuldigen und so weiter. Ich kann mich nicht erinnern, dass diese Benimmregeln in der Form in Deutschland regelrecht trainiert wurden, wie es in Finnland stattfand. Das korrekte Verhalten war eher ein beiläufiges Thema. Wie ihr anhand dieser beiden genannten Askpekte feststellen könnt, ist das Vorgehen also schon sehr unterschiedlich.
Abschließend möchte ich sagen, dass mir die Zeit in Finnland sehr gut gefallen hat und ich viele neue Erfahrungen, Erlebnisse und Freunde gesammelt habe. Zur Arbeit im Kindergarten – es wäre wünschenswert, wenn in Deutschland auch im Kindergarten, schon etwas früher mehr auf Bildung gesetzt werden würde, um das Potential einzelner Kinder früher zu erkennen und zu fördern. Jedoch habe ich im finnischen Kindergarten ab und zu "richtige Kinder", die wild waren, Quatsch machten und halt eben schlicht und ergreifend Kinder waren, vermisst. Und ich denke, dass die Kindlichkeit und die Berwahrung dieser, an erster Stelle stehen sollte.
Ich kann jedem, der diesen Artikel liest, nur ans Herz legen, am Erasmus+ Programm teilzunehmen. Ihr müsst euch nur trauen, mit fremden Menschen in Kontakt zu treten, auch wenn ihr dabei manchmal den ersten Schritt machen müsst, und ihr werdet eine der besten Zeiten haben. Denn in der Regel, reagieren viele Menschen nur positiv und lassen euch teilhaben, wenn ihr ihnen Interesse an ihrem Leben zeigt. Ich habe viel erlebt und hatte schnell das Gefühl, dazuzugehören. Ich würde von mir aus sagen, dass ich viel von der finnischen Lebensweise aufnehmen und erleben konnte. Die wunderbaren Erinnerungen werde ich für immer in meinem Herzen behalten und niemals wieder missen wollen. Also traut euch ruhig eine Bewerbung zu schreiben. Ihr werdet es nicht bereuen!