Hoch die Dachdeckerkunst

Ein zugegebener Maßen ziemlich uriger und stolzer Ausruf für eine Berufsgruppe, welche hoch über den Köpfen der meisten Menschen ihre Arbeit verrichtet. Dabei trotzen wir Wind und Wetter und sind stets bestrebt den Menschen, die unter dem Dach wohnen, ein behagliches Gefühl zu geben. Also ja, der Spruch mag urig und stolz klingen, aber er trifft auf viele meiner Kollegen und natürlich auch auf mich zu. Ich bin 21 Jahre alt und nunmehr im dritten Lehrjahr meiner Ausbildung zum Dachdecker in einem Betrieb aus dem Landkreis Nienburg. Bereits im ersten Lehrjahr meiner Ausbildung wurde mir die Chance zu diesem Auslandsaufenthalt in Finnland offenbart und ich sagte umgehend zu. In den folgenden kleinen Texten, möchte ich anhand von Bildern meine Impressionen während meines Aufenthaltes in Finnland mit Euch/Ihnen teilen!

Die Anreise

Im Vorfeld einer solchen Reise schwirren einem natürlich viele Gedanken im Kopf herum.

Wie verläuft der Flug?

Bekomme ich den Anschluss vom Flughafen in die Stadt rechtzeitig?

Oder auch einfach: Hab ich irgendwas vergessen?

Meine Reise begann am 08. August 2016 in der Abfertigungshalle von Ryanair. Als die Koffer aufgegeben waren schlenderte ich noch gut eine Stunde durch den Flughafen um dann um kurz vor 15 Uhr durch die Kontrollen zu laufen und in der Abflughalle Platz zu nehmen. Das Boarding begann um ca. 15:30 Uhr und spätestens ab diesem Zeitpunkt beginnt das Abenteuer Finnland. Ich lief über das Rollfeld und nahm an Bord auf meinem Sitz platz. Der Flieger hob pünktlich um 16:00 Uhr Ortszeit von Bremen Richtung Tampere ab. Voraussichtliche Ankunftszeit: 19:15 Uhr finnischer Zeit. Doch der Flieger war schneller und so landeten wir, ca. 20 Minuten vor der eigentlichen Ankunftszeit, auf dem von vielen Bäumen umgebenden Flughafen in Tampere. Die Gepäckstücke fanden schnell ihre Besitzer und ich machte mich auf den Weg aus dem Flughafen um zu erfahren, wie ich zum Bahnhof gelangen konnte. Lange musste ich nicht suchen, denn es stand bereits ein Bus bereit um die Leute zum Bahnhof zu bringen. Die Fahrt dauerte nur knapp 20 Minuten und ich war das erste Mal fasziniert wie reibungslos doch diese Anbindung vonstatten ging.

Doch kaum stand ich samt Gepäck vor dem Bahnhof hatte ich die nächste Hürde zu meinem Zielort Seinäjoki zu nehmen: Die Zugverbindung zwischen Tampere und Seinäjoki.

Dank des schnellen Fluges konnte ich entgegen meinen Planungen bereits den Zug um 20 Uhr Richtung Seinäjoki nehmen. Ich setzte mich an das Fenster und genoss die vorbei ziehenden Seen und Wälder. Der Schaffner kontrollierte meine Fahrkarte und nun war ich auf der Zielgeraden Richtung Seinäjoki – gespannt und ein leicht nervös was mich dort erwarten würde!

                          

 
 
Die Unterkunft

Mein Zug fuhr pünktlich um kurz nach 21 Uhr abends in Seinäjoki und ich stieg vollgepackt aus dem Zug. Ich hielt Ausschau nach meiner Kontaktperson Herrn Rippii und dieser kam kurzerhand mit einem Schild, welches meinem Namen trug, auf mich zu. Er stellte sich mir als Juha vor und begrüßte mich sehr herzlich. Als wir mein Gepäck in sein Auto verladen hatten fragte er mich ob ich hungrig wäre und ob wir einkaufen gehen sollten. Ich willigte ein und wir fuhren gemeinsam zum Supermarkt damit ich meinen ersten Einkauf in Finnland tätigen konnte. Nachdem wir das erledigt hatten fuhr Juha mit mir durch die Innenstadt von Seinäjoki und auf direktem Wege zu meinem Zuhause auf Zeit. Angekommen in dem Wohnkomplex zeigte er mir mein Zimmer: ein großzügiges Doppelzimmer samt Schreibtisch, Küche und eigenem Badezimmer.

 Die Unterkunft war zunächst recht spartanisch eingerichtet, aber mit der Zeit und mehreren Einkäufen fühlte sie sich bald wie ein Zuhause an, in dem man kochen, schlafen und Zeit verbringen mochte. Das einzige Manko des Zimmers war die nicht vorhandene Internetverbindung, welche das Arbeiten mit dem Tablet erschwerte. So organisierte ich mir schnell einen runden Tisch samt Stuhl und saß fortan auf dem Korridor um zu kommunizieren oder eben um zu arbeiten. Die Entschädigung dafür war der schöne Ausblick auf die Bibliothek von Seinäjoki, an dessen Bau auch meine finnische Firma beteiligt war, was ich aber erst später erfahren sollte.

  

 

 

Der Sprachkurs

Mit dem von der EU mit 150 Euro bezuschusstem Sprachkurs begann ich nach der Absprache mit meinem Ansprechpartner Herrn Rippii am zweiten Dienstag meines Aufenthaltes. Treffpunkt war die Bibliothek, in der ich um 17 Uhr meine Lehrerin kennenlernen sollte. Da ich nur eine grobe Beschreibung bekommen hatte, begann das Treffen entsprechend mit „Sind sie aus Deutschland?“ und „Sind sie die Lehrerin?“

Wir gingen jedoch rasch zum Du über und Marita führte mich zuerst in der Bibliothek herum um einen geeigneten Platz zwischen den vielen Bücherregalen und Sitzecken zu finden. Wir stellten einander vor und fanden überraschend gemeinsame Interessen, was den Start in den Sprachkurs erheblich erleichterte. Wir legten unsere Lerninhalte fest, wie z. B. Zahlen und für meinen Beruf wichtige Begriffe. Die erste Lerneinheit endete genauso schnell wie sie begonnen hatte und Marita lud mich für den folgenden Dienstag zu sich nach Hause ein, was mir einmal mehr die Gastfreundschaft der Finnen vor Augen führt.

Am folgenden Dienstag ging ich wieder zu Marita. Marita wollte mir die finnische Kultur und den Humor der Finnen näherbringen und so zeigte sie mir verschiedene Kurzfilme und griff Dialoge daraus auf. Während der weiteren Stunden erarbeiteten Marita und ich Begriffe, welche ich auf der Arbeit einsetzen konnte um die Verständigung zu erleichtern.

Zum Abschluss des Sprachkurses verabredeten wir uns zu einer Kneipentour und einer damit verbundenen Wette. Sollte ich ein Bier auf Finnisch korrekt bestellen, geht das auf Kosten von Marita – Challenge accepted!

Der Sprachkurs diente nicht nur zum Erlernen von Sprachgrundlagen sondern vor allem zum Kennenlernen der finnischen Mentalität, welche Marita wohl sehr gut verkörpert. Insgesamt eine gute, aufschlussreiche Zeit!

 

 Meine Freizeit

Was mache ich mit meiner Freizeit?

Spätestens nach eineinhalb Wochen kam mir diese Frage, da ich davor täglich immer etwas zu erledigen hatte. Orientierung finden, die Supermärkte abklappern, eine Grundlage an Lebensmitteln für den täglichen Bedarf schaffen oder eine Steuernummer beschaffen. Doch was kommt danach? Was unternimmt man ab 15.30 Uhr in einer fremden Umgebung? Natürlich hatte ich mich im Vorfeld etwas schlau gemacht was überhaupt angeboten wird. Dennoch bestand meine Freizeit bis zur Hälfte meines Aufenthaltes zumeist aus Kaffeetrinken in einem der vielen großen Einkaufszentren, Einkaufen und Netflix & Chill. Doch am dritten Wochenende meines Aufenthaltes war es dann soweit. Ich fuhr morgens mit dem Zug nach Helsinki. Dort mietete ich mir ein Auto und fuhr Richtung Helsinki Zentrum. Als ich mir dann letztendlich doch eine Karte zugelegt habe, fand ich das Hotel schnell und checkte ein.

         

 
Mein Ziel war klar als ich in die Straßenbahn einstieg: Innenstadt Helsinki. Ich erkundete den Bahnhofsvorplatz und die vielen Seitengassen mit Restaurants und Bars, aß und trank etwas und machte mich anschließend wieder auf den Weg Richtung Bahnhof. Ich hörte einem Straßenkünstler zu und ging auf ein Festzelt neben dem Bahnhof. Was ich nicht wusste: Das alles war Teil eines Festivals, was ich aber erst später durch meine Sprachlehrerin Marita erfahren sollten. Am nächsten Tag erkundete ich die verschiedenen Sehenswürdigkeiten und begab mich letztendlich auf den gut 400 Kilometer langen Roadtrip Richtung Seinäjoki.

 Meine Wenigkeit im Hafen von Helsinki
 

 

Was macht man jetzt mit seiner Freizeit? Naja Netflix läuft einem nicht weg, aber irgendwann wird auch das langweilig. Natürlich hat man einen Nachmittag in der Woche mit dem Sprachkurs verplant aber ansonsten beschränkte ich mich zunächst erst wieder auf das Kaffeetrinken in der Mall und meinen Haushalt.

Doch irgendwann war mir das dann doch etwas zu trist und ich ging einen Abend ins Kino und schaute Suicide Squad. Für mich persönlich ein guter Film, in einem wirklich sehr an Zuhause erinnernden Kino. Außerdem lief ich öfter durch die Stadt, ging durch die Malls und erkundete die vielen kleinen Läden. Des Weiteren entdeckte ich nach und nach die Bibliothek, welche von den Finnen als Ort zum Zeitunglesen und Treffpunkt für Jugendliche fungiert. Sie bietet gemütliche Sessel, eine ruhige Umgebung und ein schönes Ambiente. Letzteres nutze ich vor allem um unter anderem auch einige Zeilen aus diesem Bericht zu verfassen.

In den letzten zwei Wochen meines Aufenthaltes werde ich noch ein paar Mal in das Schwimmbad gehen, meine Freundin wird mich besuchen und ich bekomme, dank der Dauerkarten meiner Firma für das Fußballstadion in Seinäjoki, die Gelegenheit die U21 Mannschaften von Deutschland und Finnland gegeneinander spielen sehen zu dürfen.

Letztendlich muss man „einfach mal machen“ , denn erst dann erkennt man die wahren Vorzüge der Stadt und deren Bewohner zu Gesicht!

 Mein Arbeitsplatz

Mein Arbeitsplatz, während der sechs Wochen meines Aufenthaltes, war die Firma PRP in Seinäjoki, welche jedoch noch zwei weitere Standorte aufweist. Im Standort Seinäjoki sind ca. 40 Personen beschäftigt, welche verteilt sind auf Vertrieb, Produktion und Montage. Nachdem ich mich meinem Ansprechpartner Herrn Palomäki vorgestellt hatte und auch von ihm herzlich empfangen worden bin bauten wir schnell ein angenehmes Arbeitsklima auf. Man zeigte mir die Produktion, machte mich mit dem Produktionsleiter und dem IT-Leiter bekannt und zeigte mir Referenzen der Firma. Was ich nicht wusste: die Firma PRP hat maßgeblich das Stadtbild geprägt. So sind z.B. die Fassaden der Bibliothek sowie die des neu errichteten Stadions dieser Firma zuzuschreiben.

So etwas erregt Eindruck, aber auch eine gewisse Erwartungshaltung an die Arbeit der Monteure, welche nicht unerfüllt bleiben sollten. Während meines Aufenthaltes durchlief ich anfangs die Produktion, das Warenlager sowie meinen eigentlichen Arbeitsort, die Montage der Metallscharen. Während dieses „Rundgangs“ durch die verschiedenen Bereiche durfte ich bei der Produktion von Fassadenkassetten helfen, Waren einlagern und verpacken und natürlich Dächer decken.

 

 

Später wurde ich fest einem meiner Kollegen zugeteilt und damit fing die Arbeit erst so richtig an. Wir bauten ein gutes Verhältnis zueinander auf und ich durfte, dank seinem Vertrauen, viele Arbeiten eigenständig ausführen. Ich führte häufig den Holzbau aus, bei dem mein Geselle nur noch das zuschneiden und anreichen übernahm. Ich deckte zusammen mit ihm ein, verschraubte Scharen oder brachte Dachrinnen eigenständig an. Kleinere Vordächer deckte ich in Eigenregie ein und führte ebenfalls Wandanschlussbleche sowie Blenden aus.


 

Letztendlich möchte ich es bei dem Punkt Arbeitsplatz eher kurz halten, da ich denke, dass die wahren Vor-und Nachteile finnischer Bauart in einem derartigen Bericht untergehen. Wen ich aber doch ein wenig neugierig auf die finnische Art Dächer zu decken gemacht habe, dem stehe ich gerne für Fragen zur Verfügung!

Abschließend zu meinem Aufenthalt in der Firma PRP kann ich sagen, dass ich eine sehr positive Zeit erleben, mit interessanten, teilweise neuen Materialien arbeiten durfte und ich mich stets wohl gefühlt habe. Ich habe ebenfalls ein positives Feedback über meinen Aufenthalt und meine Arbeit erhalten und durfte darüber hinaus viele nette und offene Menschen kennenlernen!

 Ein kleines Abschlussfazit

Insgesamt kann ich meinen Aufenthalt in Finnland und in der Firma PRP sehr positiv bewerten. Ich kann viel für meinen Alltag mit nach Deutschland nehmen, sowohl sozial als auch organisatorisch. Ich konnte viele neue Eindrücke gewinnen, mit neuen Materialien arbeiten und die Kultur der Finnen kennenlernen.

Um auf meinen Einleitungstext zurückzukommen: Ja „Hoch die Dachdeckerkunst“ mag sich urig anhören, steht jedoch für etwas was mir noch deutlicher vor Augen geführt wurde. Egal in welchem Land man unser Handwerk ausübt, es ist stets eine wirklich tolle Sache zu sehen wie ein Dach entsteht, es seine Bewohner beschützt und eine gute Optik bietet. Ich bin stolz auf das Handwerk und diejenigen, die es ausführen, denn egal was die Zukunft auch bringt, Dächer werden immer benötigt!

Des Weiteren ist mir klar geworden, dass die Arbeit während des Aufenthaltes lediglich einen Bonus darstellt. Der viel größere Gewinn ist die Aufnahme der Kultur, der Mentalität der Menschen und der Stadt! In diesem Sinne solltet ihr, wenn ihr die Chance habt einen solchen Austausch machen zu können diese auf jeden Fall nutzen. Traut euch, macht etwas daraus denn ihr geht definitiv nicht ohne neue Erfahrungen nach Hause!

 I
     

In diesem Sinne: Hoch die Dachdeckerkunst!