Madrid im November

Eine bunte Erfahrung im Grau des Herbstes, 21. bis 24.11.2016

Mit einem verregneten Empfang am sonntäglichen Flughafen Barajas begann für uns, Sofía Dávalos de Hartert, Personalleiterin einer Neustädter Firma und Arne Schulze, Lehrer an der BBS Neustadt, unser ERASMUS-Aufenthalt in Madrid.

Der Weg vom Flughafen zum Hotel ließ sich mit der Metro bei zweimaligem Umsteigen sehr gut bewältigen - das Taxi wäre bei einem Festpreis von 30 € in die Innenstadt aber auch eine Alternative gewesen.

Von unserem sehr zentral an der Gran Via gelegenen Hotel aus besuchten wir in den nächsten Tagen verschiedene Unternehmen in Madrid, von denen wir uns eine zukünftige Zusammenarbeit bei der Unterbringung von Praktikanten erhofften.

Den ersten Tag unseres Aufenthaltes widmeten wir aber unserer Partnerschule IES El Lago, welche uns durch ihre Kontakte bei der Vorbereitung und Anbahnung der Unternehmensaufenthalte unschätzbare Hilfestellung geleistet hatte. Der für das ERASMUS-Programm zuständige Lehrer hatte dort unermüdlich um Kontakte für uns geworben und es geschafft, einige der zunächst sehr skeptischen Unternehmen zu einem Termin zu bewegen.

Wir wurden In der Schule sehr herzlich empfangen und durch ein strukturiertes Tagesprogramm geleitet. Nach einem Schulrundgang erhielten wir eine kurze Einführung in das spanische Schulsystem und das Bildungsangebot der IES El Lago. Die Schule bildet ca. 500 Schüler/innen, vor allem in den Bereichen Informatik, Büro/Verwaltung sowie Assistenz/Sekretariat aus. Es bot sich die Möglichkeit, Gespräche mit Schüler/innen zu führen, die an einem ERASMUS-Praktikum in Deutschland interessiert sind. Da großes Interesse seitens der Lehrer und Schüler bestand, hat Herr Schulze in zwei Vorträgen das Duale Berufsbildungssystem in Deutschland in seiner geschichtlichen Entwicklung, den Abläufen und den Zuständigkeiten vorgestellt. Aus verschiedenen Fragen seitens der spanischen Schüler wurde das Interesse deutlich, in Deutschland eine Berufsausbildung bzw. ein Praktikum zu absolvieren. Die Lehrer interessierten sich insbesondere um Einzelaspekte der Durchführung, da auch Spanien ein duales System eingeführt hat, welches aber konstanten Veränderungen unterworfen ist.

Der zweite Tag unseres Aufenthaltes war der Arbeit im ersten Unternehmen gewidmet. Im Rahmen eines Job-Shadowings „klebten“ wir an unseren Unternehmenspartnern, um die möglichen Aufgaben kennenzulernen, die ein Praktikant dort übertragen bekommen könnte-und damit auch abschätzen zu können, welche Qualifikationen dieser mitbringen müsste.

Das Unternehmen stellte sich als hochinteressant heraus: Eine Verwaltungsgesellschaft, die für 19 weitere Unternehmen mit insgesamt 50 Mitarbeitern kaufmännische, steuerliche und juristische Aufgaben übernimmt. Die untergeordneten Unternehmen beinhalten u.a. eine Modelagentur, einen Hairstylisten, Restaurantservice, einen Supermarkt und einen Kosmetiksalon, um nur einige zu nennen. Belegbuchungen, Kontierung, Vorbereitung von Personaleinstellungen und Abrechnung der Lohnzahlungen waren die von uns beobachteten und durchgeführten Aufgaben. Die mögliche Aufgabenbreite einer/eines Praktikanten/in ist sehr groß, und das Interesse von Seiten des Unternehmens sehr hoch – ideale Bedingungen für die Schüler/innen, unter denen sie sich entfalten können – wenn sie motiviert sind und Spanischkenntnisse mitbringen.

 

 

Unser Mittwochstermin entpuppte sich als Überraschung: Wir hatten mit einem kleineren Elektroinstallationsunternehmen gerechnet - das sich dann als internationaler Player entpuppte, der auch in Deutschland eine Niederlassung betreibt und von Kraftwerken über Energieleitungen und Unterhaltungsdienstleistungen bis hin zu kompletten Bauten von Krankenhäusern u.ä. so ziemlich alles anbietet was man sich denken kann. Mariano, der Personalchef, erklärte uns das ganze Unternehmen und da er seit über 40 Jahren dort arbeitet, hatte er einen tiefen Erfahrungsschatz und gute Kontakte zu allen vom Hausmeister bis zum Direktor.

Wir beschränkten uns bei unserer Tätigkeit im Personalbereich hauptsächlich mit der Personalabrechnung, ber der die Mitarbeiter ihr Stunden zum Teil elektronisch und zum Teil in Papierform einreichen und auf dieser Basis dann ihre Lohnabrechnung erhalten.

Auch hier bietet sich für unsere Auszubildenden ein weites Betätigungsfeld, das weit über den eigentlich von uns anvisierten wirtschaftlich-administrativen Bereich hinausgeht. In der Personalwirtschaft sind Praktikumsmöglichkeiten gegeben, aber auch im Controlling und in der Informationstechnologie. Darüber hinaus gäbe es sicher auch Möglichkeiten der Vermittlung in Bereiche des Baus, der Elektrik, der Elektronik etc.

 

Unter Ausnutzung der örtlichen Nähe begaben wir uns noch zu einem Sprachinstitut, welches von einem Deutschen und seinem spanischen Prtner in Lavapiés geführt wird. Sie haben vielfältige Beziehungen zu Unternehmen in Spanien und Deutschland, geben Sprachkurse und leiten Fortbildungen für interkulturelles Verständnis an - eine Fundgrube, auch weil sie sich spontan bereit erklärten auch Praktikanten im Bürobereich aufzunehmen und weil sie bei der Suche nach Unterkünften hilfreich sein können und wollen.

Am Abend sollte ein weiteres Highlight folgen: Wir hatten Karten für das Spiel Atlético Madrid gegen PSV Eindhoven in der Champions League - und wir waren sehr gespannt auf das Erlebnis. Das Stadion ist tatsächlich in einem bedauerlichen Zustand, und die stelien, hängenden Tribünen würde man zwischen gewöhnungsbedürftig und angsteinflößend bezeichnen. Die Stimmung war gut, wobei die erste Halbzeit von beiden Seiten wenig Herausragendes brachte. Wir schauten mit gewissem Erstaunen unseren Nachbarn zu, die in der Halbzeit die mitgebrachten Baguettes auswickelten und sich mit ihren Sitznachbarn und Freunden über das Spiel, Gott und die Welt unterhielten. Das Spiel endete 2:0 für die Gastgeber, die zweite Hälfte war dementsprechend auch lauter und emotionaler, und wir verließen um 23 Uhr zufrieden das Stadion Vicente Calderón. Nur die Leistung von Grieszmann war diskussionswürdig, aber das ist eine andere Geschichte.

Donnerstag, unser letzter Arbeitstag begann in luftiger Höhe. Unser schulischer Partner hatte es geschafft, einen Termin bei einer global agierenden Unternehmensberatung zu ergattern, die im "Torre de Cristal" residiert, einem von vier Wolkenkratzern im Geschäftsdistrikt am Paseo de la Castellana im Norden Madrids. Auch hier bot uns unsere Gesprächspartnerin nach einer Vorstellung unseres Projektes die Möglichkeit an, Auszubildende in den Bereichen Büro, Personal, Bankwesen und IT aufzunehmen - ein runder Erfolg also, wobei das Sprachniveau zu entsendender Schüler/innen auf den Niveaus A2 bzw. B1 bewegen muss, um einen sinnvollen Einsatz zu ermöglichen. Auf einem anschließenden Rundgang konnten wir aus dem Casino im 38. Stock den atemberaubenden Rundblick auf Madrid und die Umgebung genießen - ein wundervolles Erlebnis!

 

Abschließend besuchten wir dann noch einmal unsere Partnerschule, um uns für die tollen Gesprächspartner und die Mühen beim Besorgen der aufnehmenden Unternehmen zu bedanken. Zudem hatten einige spanische Schüler/innen noch Fragen und Anliegen zu einem möglichen Praktikum in Deutschland, die wir in einer Gesprächsrunde beantworteten.

Den Nachmittag verbrachten wir auf dem Flughafen in Madrid, um unseren wegen des Pilotenstreiks für den Freitag abgesagten Rückflug nach Hannover umzubuchen, was auch gelang. Leider fiel dadurch ein Besuch zumindest eines der bedeutenden Museen der Stadt (Prado/Reina Sofía oder Thyssen-Bornemisza) aus.  Am Freitag waren wir frohen Mutes und deutlich vor Abflug auf dem Flughafen. Unser Einsatz vom Vortag hatte sich gelohnt - wir waren auf dem einzigen Lufthansa-Flieger, der an diesem Tag Madrid verließ. Wegen der generellen Verspätung und zusätzlicher technischer Probleme erreichten wir in München allerdings den Anschluss nach Hannover nicht und wurden mit einem Hotelaufenthalt im Flughafen-Niemandsland entschädigt, so dass wir erst am Sonnabend wieder in Hannover landeten.

Alles in allem und abgesehen vom etwas nervenzehrenden Ende war die Reise nach Madrid ein voller Erfolg; unsere lose bestehenden Verbindungen zum schulischen Partner wurden gestärkt, endlich konnten wir die überaus herzlichen Lehrer der IES Lago persönlich kennenlernen, und wir kommen mit vielen Einsatzmöglichkeiten für unsere Auszubildenden in vielen verschiedenen Unternehmen zurück. Wir haben viel gelernt, vor allem über das, was nicht in Büchern und im Internet steht. Und, das muss man ganz klar sagen, wir waren ein tolles Team, mit dem der Aufenthalt trotz der Mühen und des engen Zusammenseins viel Spaß gemacht hat. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an alle Beteiligten, ¡muchas gracias por todo a los colegas y los responsables de las empresas en España!

So wurde es trotz des Londoner Wetters eine wirklich bunte Reise mit vielfältigen Erfahrungen und Eindrücken.