Budapest und Vác / Ungarn

18.09. – 23.09.2016

Mit dem Erasmus+ Projekt "focus your future" der BBS Nienburg haben Frau Birgit Brod, Lehrerin der BBS Nienburg / Leiterin der Abteilung Ernährung, Hauswirtschaft, Agrarwirtschaft, und Herr Hans-Georg Brod, Diplom-Agraringenieur, eine finanziell geförderte Fortbildung im EU-Ausland durchgeführt. Ziel der Fortbildung war, Kontakte zum landwirtschaftlichen Berufsbildungszentrum Zentralungarns in Budapest aufzubauen, welches die Arbeit von vier ehemals selbständigen berufsbildenden Schulen mit den Schwerpunkten Agrarwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau und Lebensmitteltechnik koordiniert. Darüber hinaus sollte in den ausgewählte landwirtschaftliche Betriebe ein Job Shadowing durchgeführt werden, um deren Eignung sowie Kooperationsbereitschaft hinsichtlich eines Praktikums landwirtschaftlicher Auszubildender eruieren zu können.

Unsere Reise begann am Sonntag, den 18. September, mit einer Bahnfahrt von Nienburg nach Berlin. Vom Flughafen Tegel flogen wir mit Air Berlin nach Budapest (1h25min). Am Flughafen nahmen wir unseren vorab gebuchten Mietwagen in Empfang und machten uns auf den Weg zum Hotel. Aufgrund der Vielzahl an Einbahnstraßen im Stadtzentrum sowie der hereinbrechenden Dunkelheit erwies sich die Anfahrt als Herausforderung.

Am Montagmorgen machten wir uns auf den Weg zur Berufsbildenden Schule Bercsényi Miklós in Budapest, welche die Zentrale und Koordinationsstelle des landwirtschaftlichen Berufsbildungszentrums darstellt und ihren Schwerpunkt im Bereich der Lebensmitteltechnik und -verarbeitung hat. Die Schule wurde 1952 gegründet und befindet sich in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Nach Aussagen des Lehrkörpers wurden die finanziellen Mittel für das Berufsbildungszentrum in den vergangenen Jahren stetig gekürzt, so dass kein Geld für Renovierungen zur Verfügung steht. In der Schule werden ca. 300 Schülerinnen und Schüler über einen Zeitraum von 3 Jahren (→ Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit) oder 4 Jahren (berufliches Abitur → Studium) unterrichtet. Zunächst wurden wir von einer Deutschlehrkraft durch die Schule geführt und besichtigten die Schulworkshops zur Milch- und Fleischverarbeitung sowie Konservierung von Obst und Gemüse. Anschließend wurden wir vom neuen Direktor des Berufsbildungszentrums, Herrn Tamás Varga, begrüßt. Mit Hilfe der uns an die Seite gestellten Deutschlehrkraft war die Verständigung jedoch unproblematisch und offene Fragen konnten geklärt werden.

 

 

Gegen Mittag fuhren wir mit unserem Mietwagen zur Berufsbildenden Schule Varga Márton in Budapest, eine der ältesten und bekanntesten Gartenbauschulen Ungarns. Nach Begrüßung durch die Direktorin der Schule führte uns Frau Zita Hasenauer, Gartenbauingenieurin und engagierte Lehrkraft mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen, durch die Schule sowie die zugehörigen Gartenanlagen mit zahlreichen exotischen Bäumen und Sträuchern. Sehr beeindruckend war der japanische Garten, der mit viel Hingabe von Zita H. gestaltet und gepflegt wird und ein Aushängeschild der Schule darstellt. Das Schulgebäude hingegen befand sich in einem ähnlich renovierungsbedürftigen Zustand wie das der Bercsényi Miklós Schule. In der Schule werden zurzeit ca. 400 SchülerInnen von 35 Lehrkräften unterrichtet. Ein Schülerwohnheim ist angeschlossen, das auch für die Unterbringung von Praktikanten zur Verfügung steht. Die meisten SchülerInnen werden im Schwerpunkt Garten- und Landschaftsbau ausgebildet und finden aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage an diesbezüglichen Fachkräften problemlos eine Anstellung. Die klassische Gärtnerausbildung im Produktionsbereich ist hingegen stark rückläufig. Als Problem wird der Verlust der Selbständigkeit der Schule durch den Zusammenschluss zum landwirtschaftlichen Berufsbildungszentrum gesehen, der mit einem Abbau des Lehrkörpers sowie der Anzahl der Ausbildungsberufe einherging. Ein weiteres Problem stellt die vor ca. 4 Jahren beschlossene Einführung des Dualen Systems in der Berufsausbildung dar. Es gibt zu wenig geeignete Ausbildungsbetriebe sowie Probleme hinsichtlich der Zusammenarbeit von Kammern und Schulen, so dass die Umsetzung eine große Herausforderung für alle Beteiligten bedeutet.

 

 

Am Dienstagmorgen machten wir uns auf den Weg nach Vác, einer Kleinstadt ca. 40 km nördlich von Budapest. Hier ist die Berufsbildende Schule Táncsics Mihaly mit dem Schwerpunkt Agrarwirtschaft beheimatet. Zurzeit werden ca. 450 SchülerInnen von 45 Lehrkräften beschult. Der Empfang durch die stellvertretende Schulleiterin und Deutschlehrkraft Timea Bankné war sehr herzlich, so dass wir uns sogleich gut aufgenommen fühlten. Timea begleitete uns während des gesamten Dienstags und des Mittwochs gemeinsam mit einer weiteren Deutschlehrkraft sowie einem Landwirtschaftslehrer der Schule.

Ungarn ist im Vergleich zu Deutschland stärker agrarisch geprägt.  Von der Gesamtfläche Ungarns werden ca. 57 % landwirtschaftlich genutzt (81 %  Ackerland und 19 % Grünland). Angebaut werden vor allem Weizen, Mais und Sonnenblumen, wobei die Erträge deutlich unter denen Deutschlands liegen. 2014 gab es ca. 481.000 landwirtschaftliche Betriebe mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von ca. 9 ha (Deutschland 61 ha).

 

 

Nach der etwa einstündigen Besichtigung der Schule fuhren wir gemeinsam zum schuleigenen Lehrbetrieb in Szöd, einem Dorf in ca. 15 km Entfernung von Vác. Die landwirtschaftliche Ausbildung in Ungarn dauert 3 bzw. 4 Jahre bis zum beruflichen Abitur und erfolgt in einem jeweils einwöchigen Wechsel von theoretischer Ausbildung in der Schule und praktischer Ausbildung auf dem Lehrbetrieb sowie auf externen Partnerbetrieben. Der Lehrbetrieb verfügt über Stallungen für Rinder, Schweine, Pferde und Schafe, einen Melkstand sowie diverse landwirtschaftliche Maschinen für die Bodenbearbeitung, Ernte und Fütterung der Tiere, die jedoch überwiegend nicht mehr dem neuesten Stand entsprechen. Auch die Anzahl der Tiere musste in den letzten Jahren wegen zu geringer finanzieller Zuwendungen seitens des Landwirtschaftsministeriums stark reduziert werden. Wir stellten fest, dass die Lehrkräfte viel Eigeninitiative an den Tag legen und zudem über eine gute Portion Selbstironie verfügen.

 

 

In der Schule werden neben Landwirten auch Pferdewirte ausgebildet. Ein Highlight ist die auf dem Lehrbetrieb vorhanden Reitschule mit 8 Reitpferden, mit denen die Schüler/Innen unter Anleitung einer Reitlehrerin trainieren können.

Auf dem Gelände des Lehrbetriebes finden jährlich im Herbst eine große Landwirtschaftsmesse sowie im Jahresverlauf verschiedene landwirtschaftliche Veranstaltungen statt.

Am frühen Nachmittag verließen wir den Lehrbetrieb und fuhren gemeinsam nach Nográd (ca. 23 km entfernt), um hier einen landwirtschaftlichen Großbetrieb von ca. 1000 ha, der gleichzeitig Partner der Landwirtschaftsschule ist, zu besuchen. Auch der Direktor des landwirtschaftlichen Berufsbildungszentrums, Herr Varga, nahm an diesem Betriebsbesuch teil, um Möglichkeiten einer engeren Kooperation von Schule und Betrieb zu diskutieren. Der Eigentümer des Betriebes, Herr Conrad Keresztes, führte uns zunächst durch die Apfelplantage (24 ha) sowie die Stallungen mit Mastrindern und Zuchtbullen. Anschließend wurde uns die Mutterkuhhaltung auf den angrenzenden Weiden präsentiert (siehe Betriebsspiegel). Zwei Mitarbeiter des Betriebes sowie eine deutschstämmige „Dolmetscherin“ aus dem Dorf unterstützen ihn bei unserem Rundgang. Zu dem Unternehmen gehören weiterhin ein großer Schweinebetrieb in der ungarischen Tiefebene (Alföld) sowie ein Forstbetrieb. Weitere Betriebsdaten sind dem Betriebsspiegel (Anlage) zu entnehmen. Schließlich präsentierte uns Herr Keresztes noch seine neu errichtete Wohnanlage mit Hotelcharakter, die für Hochzeitsfeiern und andere Events vermietet wird. Herr Keresztes zeigte großes Interesse, ausländische Praktikanten auf seinem Betrieb zu beschäftigen. Da mehrere seiner Mitarbeiter Deutsch und / oder Englisch sprechen, dürften keine Verständigungsprobleme auftreten. Für einzelne Praktikanten kann eine Unterkunft mit Familienanschluss gestellt werden.

 

 

Zum Abschluss unseres Besuches wurde die gesamte Gruppe (10 Personen) von Herrn Keresztes in ein nahegelegenes Gasthaus zum Essen eingeladen. Hier lernten wir zahlreiche ungarische Spezialitäten kennen.

Am Mittwochmorgen fuhren wir erneut zur Tánscics Mihaly Schule nach Vác, um von hier zu zwei weiteren landwirtschaftlichen Betrieben in der näheren Umgebung aufzubrechen. Zuerst besichtigten wir einen Gartenbaubetrieb mit 1 ha Gewächshäusern (Gesamtfläche 4 ha) für einjährige Sommerblumen, anschließend einen Milchviehbetrieb mit 230 Kühen, 120 Mastbullen und ca. 500 ha Ackerland (siehe Betriebsspiegel). Die Milch wird in der betriebseigenen Molkerei zu Quark, Joghurt und Sahne verarbeitet und mittels Verkaufswagen direkt an die Kunden in den umliegenden Orten geliefert.  Bei den Besichtigungen und folgenden Fachgesprächen mit den Betriebsleitungen loteten wir Möglichkeiten für eine Kooperation in der Beschäftigung von Auszubildenden der Landwirtschaft bzw. des Gartenbaus aus.

 

 

Der Betriebsleiter des Milchviehbetriebes, Herr Sándor, zeigte sich offen für eine Beschäftigung von Praktikanten, jedoch könnte aus unserer Sicht die sprachliche Verständigung ein Problem darstellen.

Da der Gartenbaubetrieb aufgrund betriebswirtschaftlicher Probleme im kommenden Jahr verkauft werden soll, ist die künftige Entwicklung abzuwarten.

 

 

 

Anschließend fuhren wir zur Tánscics Mihaly Schule in Vác zurück und beendeten unseren Besuch mit einem gemeinsamen Mittagessen in der Schulkantine.

Das landwirtschaftliche Berufsbildungszentrum und insbesondere die landwirtschaftliche BBS in Vác haben großes Interesse, eine Kooperation mit unserer Schule aufzubauen. In welcher Form dies geschehen kann, bleibt zu klären.

Den letzten Tag unseres Aufenthaltes in Ungarn nutzten wir für eine Sightseeing-Tour durch Budapest sowie die Arbeit an unserem Reisebericht.